Die Weinlese

Das ganze Jahr arbeitet der Winzer auf die Ernte hin, die an Mosel, Saar und Ruwer meist Ende September beginnt und sich oft bis in den November hinzieht.

Zunächst werden die früh reifenden Reb-sorten gelesen, von Ortega bis Müller-Thurgau. Dann folgen der Elbling und die Burgundersorten. Die Riesling-Ernte in den Steillagen beginnt meist Mitte Oktober. Der spät reifende Riesling wird an Mosel, Saar und Ruwer durch das Wechselspiel kühler Nächte und warmer Herbsttage geprägt. Während das Mostgewicht noch steigt und die Fruchtsäure sich in den Weinbeeren noch abbaut, werden die Trauben von Tag zu Tag aromatischer.
Viele Einflüsse entscheiden über Zeitpunkt, Menge und Qualität der Weinernte. Ein wichtiger Indikator für die Reife der Trauben ist der Fruchtzuckergehalt, der in Grad Oechsle gemessen wird. Im Herbst, wenn die Trauben reifen, beginnen die Winzer den Zuckergehalt in den Weinbeeren zu messen, um die mögliche Reifeentwicklung einschätzen zu können. Der Zucker, der bei der Vergärung des Mostes in Alkohol umgewandelt werden kann, ist Maßstab für die Reife der Trauben und bestimmt im wesentlichen das Mostgewicht, das in Oechslegraden ausgedrückt wird. Der Name dieser Maßeinheit bezieht sich auf den Apotheker, Goldschmied und Physiker Ferdinand Oechsle (1774-1852), der in Pforzheim lebte. Je günstiger das Klima, je höher die Reife bzw. je später die Lese, desto höher sind die Mostgewichte und desto gehaltvoller werden die Weine. Aber nicht nur der natürliche Zuckergehalt der Weintrauben ist entscheidend. Um reife, harmonische Weine erzeugen zu können, muss der Winzer die physiologische Reife der Trauben abwarten. Viele Winzer messen daher nicht nur das Mostgewicht, sie probieren im Herbst tagtäglich die Trauben in ihren Weinbergen um festzustellen, wann der Geschmack und damit die Qualität optimal ist. Das ist in der Regel dann der Fall, wenn die Traubenkerne braun werden und sich leicht vom Fruchtfleisch lösen.
In den Steillagen des Mosel-Gebietes ist die selektive Ernte häufig. Die Trauben bzw. Beeren werden - oft in mehreren Erntedurchgängen - nach Reifegrad getrennt geerntet und sortiert. Der Arbeitsaufwand ist hoch, aber so lassen sich differenzierte Weinqualitäten und -stile erzeugen. So werden überreife oder faule Weinbeeren oft zunächst "ausgelesen", die gesunden Trauben bleiben noch am Rebstock um weiter zu reifen und werden dann erst Tage oder gar Wochen später eingebracht.
Für die Erzeugung hochwertiger trockener und feinherber Weine wird nur gesundes, vollreifes Lesegut verwendet. Eingetrocknete oder von der Edelfäule Botrytis befallene Beeren werden für die Erzeugung besonders aromatischer, natürsüßer Weine selektioniert. Der Reifegrad der Trauben entscheidet schon im Weinberg darüber, unter welchen Bezeichnungen die Weine später angeboten werden. In Deutschland bietet das System der Prädikatsweine den Erzeugern die Möglichkeit, hochwertige Weine nur aufgrund des in den Trauben vorhandenen natürlichen Fruchtzuckers einzustufen. Die Prädikate - Kabinett, Spätlese, Auslese, Beerenauslese, Trockenbeerenauslese, Eiswein - sind Ausdruck einer differenzierten Weinlese-Kultur, die sich in den deutschen Weinbauregionen entwickelt hat.

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